Bedürfniszentrierte Kommunikation

Die Annahmen für die Bedürfniszentrierte Kommunikation sind folgende:

  • Alle Beteiligten haben Bedürfnisse.
  • Die Bedürfnisse stehen wertfrei nebeneinander. Die Bedürfnislagen gelten demnach gleichermaßen; für Kinder wie auch für Erwachsene. 
    Im Prinzip auch für Tiere oder Pflanzen, deren Bedürfnisse gegebenenfalls von Menschen „vertreten“ werden können, falls sie nicht von sich aus ersichtlich oder erfühlbar sind.
  • Alle Bedürfnislagen werden akzeptiert, wie sie sind. Macht- und hierarchiefrei. 
  • Es bedarf der Fähigkeit aller Beteiligten, die eigene Bedürfnisse in einen für andere verständlichen Ausdruck zu bringen. 
  • Wenn ich etwas von anderen verwende oder von anderen möchte, bitte ich um Erlaubnis.

Es geht in der Bedürfniszentrierten Kommunikation darum, möglichst alle Bedürfnisse gleichermaßen zu berücksichtigen und zu erfüllen. Vom Erledigen der Hausaufgaben, dem Staubwischen bis zum Traumurlaub oder Freizeitgestaltung.
Niemals geht es darum, dass eigene Bedürfnisse vorrangig durchgesetzt werden. Das sind Machtgefüge und setzen eine Wertung der Bedürfnisse voraus, unter der eine Kommunikation so nicht möglich ist.
In der Nennung der eigenen Bedürfnisse geht es außerdem nicht darum, bei dem anderen etwas auszulösen. Das wäre  – im Gegensatz zur Bedürfniszentrierten Kommunikation die „um zu“ – Kommunikation. Auch damit ist keine klare Kommunikation möglich.

Die Schritte der Bedürfniszentrierten Kommunikation:

1. Die Bedürfnisse werden von allen Beteiligten möglichst konkret benannt oder anders zum Ausdruck gebracht. „Heute fühle ich mich…“, „Jetzt möchte ich…“, „Eigentlich hatte ich geplant, dass ich…, aber jetzt sieht es so aus, dass ich … möchte.“
Alle gehen stets achtsam von der eigenen Position aus und bleiben auch in dieser; jenseits des Egoismus. 
Ganz im Gegenteil ist es vielmehr das Bewusstsein, dass immer lediglich die eigene Wahrheit, die eigenen Ansichten und das subjektive Empfinden benannt werden kann. Je mehr ich in der Kommunikation bei mir selbst bleibe, umso wertfreier ist sie. Und umso offener wird sie für die Bedürfnisse der anderen. Und umso klarer werden die Bedürfnisse erkannt, sortiert und harmonieren miteinander.
Gerade bei einem großen Empathievermögen ist es sinnvoll, die eigene wie auch die Positionen der anderen deutlich zu benennen. Zum Wohlergehen der anderen und zum eigenen Schutz hinsichtlich der empathischen Durchlässigkeit. Achtsamkeit meint hier, dass ich die Bedürfnisse der anderen kenne, sie achte, ihnen wertfrei begegne, wie sie mit der eigenen Bedürfnislage zu vereinbaren sind. So entsteht harmonische Interaktion.

2. Nach dem klaren Benennen der jeweiligen Bedürfnisse können alle Beteiligten Vorschläge machen, wo sie Schnittmengen sehen. Das geschieht gleichberechtigt und wertfrei. „Ich will sowieso einkaufen gehen. Darf ich dir den Schreibstift mitbringen, den du brauchst? Oder möchtest du mitkommen?“ 
Die Vorschläge sind ebenso immer mit den eigenen Bedürfnissen zu koppeln und stets authentisch. „Wenn du zum Schuster gehst, darf ich dich bitten, auf dem Weg das Brot, das ich brauche, mitzubringen? Das spart mir Zeit und ich kann so länger in meinem Lieblingsbuch lesen.“ 
So werden von allen Beteiligten Angebote unterbreitet. Vor allem Kinder haben hier super Ideen.

3. Dann schauen alle gemeinsam, wie sich die Ideen günstig vereinbaren lassen. Das „verhandeln“ beginnt, wobei auch hier machtfrei verhandelt wird. Es geht lediglich darum, die Bedürfnisse authentisch in eine Balance zu bringen. Alles andere wäre „um zu“-Kommunikation. 
Einer fährt los und macht Erledigungen, die andere macht in der Zeit Hausaufgeben, der Dritte liest in Ruhe in seinem Lieblingsbuch. Man unterstützt oder begleitet sich gegenseitig, wo es passt, in einer dynamischen Verbindlichkeit. Auch werden Verabredungen für den Tag getroffen, wenn es um gemeinsame Aktivitäten geht. „Wenn ich dann vom Einkaufen zurück bin, können wir gemeinsam den Film schauen, den du vorgeschlagen hast. Was meinst du dazu?“

4. Wenn sich Bedürfnisse oder Situationen ändern, die im Kontext mit anderen stehen, werden diese entsprechend mitgeteilt. Ebenso offen und bei sich selbst bleibend und wertfrei. „Jetzt bin ich vom Einkaufen zurück und doch viel müder als ich heute Morgen dachte. Passt es dir, dass wir den geplanten Film in einer Stunde schauen? Dann kann ich mich vorher noch ausruhen.“ Und dann werden neue Vereinbarungen aufgrund der veränderten Situation getroffen.

5. Wenn zwei Bedürfnisse mal nicht (mehr) vereinbar sind, können diese verlagert oder zeitlich verschoben werden. Am Beispiel:
Bedürfnis 1: ich möchte jetzt mit dir einen Spaziergang machen.
Bedürfnis 2: ich habe gleich einen Friseurtermin vereinbart.
Zur Lösung kann der gemeinsame Spaziergang auf einen späteren Zeitpunkt verschoben werden. Oder man akzeptiert, dass das Bedürfnis des anderen jetzt nicht mit dem eigenen vereinbar ist und macht den Spaziergang alleine, mit einer anderen Person oder macht etwas anderes. Es stellt sich dabei die Frage, was an dem eigenen Bedürfnis das Wesentliche ist. Der Spaziergang oder das Gemeinsame? Aufgrund dessen können meist gute Alternativen gefunden werden. Vielleicht in der Nähe des Friseurs alleine spazieren gehen und nach dem Termin dann gemeinsam einen Kaffee trinken. So entsteht stets Raum für neue Gestaltung, ohne dass die Bedürfnisse außer Acht gelassen werden.

Positive Verstärkung in der Bedürfniszentrierten Kommunikation:
Ein weiteres begleitendes Element ist das Modell der Positiven Verstärkung. In die Kommunikation übertragen meine ich damit, den Fokus auf das Positive zu legen und sich daran zu orientieren.
Das Negative wird dabei nicht ignoriert, ganz im Gegenteil achtsam wahrgenommen. Wenn unerwünschtes Verhalten auftritt, brauche ich darauf nicht „herumreiten“ oder gar mit Negativem zu antworten. Negative Kommunikation schafft  – ob gewollt oder ungewollt – machtvolle Bahnen, eigene Aggressionen auf den anderen zu übertragen. Das ist wenig konstruktiv und die eigenen Aggressionen, wenn sie denn vorhanden sind, fließen produktiver auf neutralen Wegen ab.
Das negative Verhalten wird also wahrgenommen und wahrnehmend „zur Seite gelegt“.  Stattdessen geht der Fokus auf das Positive und gibt neue Orientierung. Das heißt beispielsweise, dass ich mein Kind lobe, wo es geht. Wenn es ein Bild gemalt hat, das Zimmer aufgeräumt hat, sich gut verhält und vieles mehr. 
Wenn sich mein Kind mal nicht so erwünscht verhält, gehe ich nicht verstärkt darauf ein, benenne es vielleicht kurz – je nach Intensität. Die Benennung ist dann so, wie ich mir das richtige Verhalten vorstelle oder noch effektiver lebe ich es direkt vor. „Ich finde es gut, wenn du deinen Schreibtisch gleich nach dem Basteln aufräumst und der spätestens bis abends dann sauber ist.“ So etwas schlage ich meinem Kind nur vor, wenn ich entweder auch meine Sachen gleich wegräume oder mit meinem Kind thematisiere, dass ich mir mein eigenes Verhalten hier auch besser wünsche.

Die Vorschläge in der Bedürfniszentrierten Kommunikation sind also immer so, wie ich sie mir auch von anderen wünschen würde. Und ich versuche, mich immer so zu verhalten, wie ich möchte, dass auch mit mir umgegangen wird. 
Nur die Dinge, die ich selbst lebe, kann ich auch in der Interaktion mit anderen „verbreiten“. 

Das meinst sicher nicht, dass alle das gleiche können oder tun müssen – oder dass die Bedürfnisse identisch sein müssen. Ganz im Gegenteil entsteht so wechselseitiges Wachsen, Gestalten und Entwickeln.
Die Bedürfniszentrierte Kommunikation ist also eine positive Haltung, die sich in der Interaktion ausdrückt. Diese Haltung bildet die Basis, sich wechselseitig im Leben in der Eigenständigkeit und ebenso in der Gemeinschaft zu begleiten, zu ergänzen und zu bereichern. In Liebe…

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