Authentizität und Interaktion

Das eigene authentische Wesen ist die Grundlage des Seins. Wir alle kommen in dieser Authentizität auf die Welt und tragen sie in uns. Wie weit wir uns diese Authentizität erhalten (können), hängt von einigen Faktoren ab. 
Unserem Selbst mit unseren Charaktereigenschaften, unserer Biografie, unseren Erfahrungen und Lebensbedingungen – nicht selten mit Traumatisierungen – und dem Miteinander.

Authentizität meint hier, dass ich mir meiner selbst ehrlich bewusst bin und demzufolge auch ebenso mit anderen interagiere.
Was die Kommunikation angeht, gelingt dies durch die Bedürfniszentrierte Kommunikation. Wir Alle haben unsere eigenen Wahrnehmungen und demzufolge auch Wahrheiten. Doch in der Bedürfniszentrierten Kommunikation bilden sich produktiv lebendige Schnittmengen, die Gemeinsamkeiten erzeugen und weiterentwickeln.

Doch was beinhaltet die Authentizität? Synonyme hierzu sind: Echtheit, Glaubwürdigkeit, Sicherheit, Verlässlichkeit, Wahrheit und Zuverlässigkeit – laut Duden.
Wenn ich mir also selbst in all diesen Dingen begegne, begegne ich meinen Mitmenschen ebenso. Niemand ist vollkommen. Gerade Traumatisierungen legen uns ungewollt Augenbinden an, die wir erst bemerken, wenn wir sie ablegen. Doch neigen wir auch in alltäglichen Dingen zu Illusionen uns selbst gegenüber, meist in Bequemlichkeit. Freuen wir uns jeden Tag, ein Stück mehr Wahrheit uns selbst wieder zu entdecken und so auch in anderen.


Wie äußert sich das in der Interaktion?

1) Gelassenheit: nicht alle Impulse, die ich wahrnehme, muss ich sofort zum Ausdruck bringen oder in den Raum stellen. Ich nehme sie achtsam wahr und lasse sie in mir „arbeiten“, bevor ich Schlüsse ziehe. Das eigene Bauchgefühl ist ein zuverlässiger Wegweiser. Jedoch ist kein Impuls von mir „frei“, denn ich bringe immer Subjektivität mit. Das Gehirn funktioniert nun mal so, dass es Reizwahrnehmungen einzuordnen versucht, und zwar mit bereits Bekanntem. Auch eine Form der Bequemlichkeit. Das bringt Lernen, Orientierung und Sicherheit, ist aber eben auch immer subjektiv. Gelassenheit und die Pausen verschafft mir die Zeit, Abstand von mir selbst zu diesen Impulsen zu bekommen und sie möglichst übergeordnet betrachten zu können. Gerade bei relevanten Entscheidungen oder Betrachtungen. Eine Nacht drüber schlafen, mal Luft holen und Ähnliches.

2) Grenzen: in der freundlichen Anerkennung der eigenen Grenzen kann ich anderen Menschen ebenso begegnen. In der Interaktion bedarf es weder Kontrolle noch Besitzergreifung. Das sind Machtkonstrukte, die der wertfreien Interaktion nicht gerecht werden. Wenn ich akzeptiere, dass mir meine Mitmenschen das mitteilen, was relevant ist, sind Verständnis- und Interessensfragen meinerseits ausreichend. Jeder Mensch hat eigene Grenzen, die das Wohlbefinden tragen. Achten wir diese Grenzen, wo wir sie kennenlernen und kennen. Das konkrete Benennen der Bedürfnisse, wie beschrieben, ist ein Weg. Denn ich kann das Bedürfnis meines Gegenübers nur dann wirklich kennen, wenn er oder sie mir das mitteilt.

3) Position: Wenn ich mir selbst in meiner Position glaube und zuverlässig darin interagiere, ist es für mich leichter, meine Bedürfnisse klar zu äußern. Position meint hier, wie ich grundsätzlich hinsichtlich eines Sachverhaltes oder auch in einer Beziehung stehe – unabhängig von einzelnen Situationen der Interaktion. Das schützt mich vor (zu schnellen) Bewertungen und bringt mir Stabilität.

4) Wahrheit: Wenn ich mir selbst in meiner Wahrheit begegne und meine Bedürfnisse als Grundlage meines Handelns (aner)kenne, kann ich anderen ihre eigene Wahrheit lassen. Das ist meine Hinnahme der Dinge, die dann wiederum die Gelassenheit befördern.
Eine meiner Wahrheiten ist beispielsweise, dass ich auf die gleichen Außenreize oder Interaktion von anderen durchaus unterschiedlich reagiere, weil immer auch meine Stimmung, mein Erlebtes oder auch mein Gesundheitszustand eine Rolle spielt. Da mag ich vielleicht mittags noch große Lust haben, am Abend mit meiner besten Freundin zu telefonieren. Der Tag entwickelt sich dann aber so, dass ich abends „nichts mehr zu sagen“ habe. Sicher nicht wegen der Freundin, sondern wegen mir selbst und dem, was der Tag gebracht hat. Wenn ich dies in Liebe anerkenne, findet dies ebenso seinen Platz in der Bedürfniszentrierten Kommunikation und das Telefonat wird herzlich vertragt.

5) Genügsamkeit: „Manchmal ist weniger mehr“. Wenn ich im Anerkennen meiner Grenzen mir selbst liebevoll genüge, verschafft das zum einen weitere Gelassenheit. Zum anderen ist es gerade die Genügsamkeit, die Liebe und Frieden in mir und  auch in der Interaktion mit meinen Mitmenschen bringt. So bedarf es keiner Forderungen oder Erwartungen, die leicht in ein Machtgefüge abdriften. Wenn ich davon ausgehe, dass alle Menschen und damit auch ich an jedem Tag das tun, was sie eben können, bringt das eine Genügsamkeit, die letztlich viel mehr hervorbringt als permanentes Drängen oder Fordern. In der Bedürfniszentrierten Kommunikation ist die Interaktion immer ein Angebot an meine Mitmenschen, eine Einladung. Und die Reaktion meiner Mitmenschen darauf ist gut, wie sie ist. In Akzeptanz jeglicher Form.

6) Geduld: Wenn ich mir selbst in Wahrheit begegne, stelle ich fest, dass mir einige Dinge noch besser gelingen können als jetzt. In der Akzeptanz dessen liegt die Basis der Weiterentwicklung. Manche Dinge werden mir wohl nie gelingen, andere wiederum umso besser. Wenn es mir so geht, begegne ich also meinen Mitmenschen ebenso. Verändern möchte ich sie nicht. Sie sind wunderbar, wie sie sind. Und sie entscheiden selbst über ihre möglichen Entwicklungen.

7) Achtsamkeit: Wenn ich mich selbst achte, fordere, aber nicht überfordere, achte ich gut auf mich und meine Bedürfnisse. In der Akzeptanz, dass ich in meinen Bedürfnissen auslote und Entscheidungen daraufhin treffe. 
Steht beispielsweise ein schönes Ereignis an, auf das ich mich schon lange gefreut habe und gleichzeitig kündigt sich eine Erkältung an und ich bin müde. Also habe ich Lust auf die Veranstaltung, mein Körper signalisiert mir jedoch, dass ich Ruhe brauche. Zwei Bedürfnisse, die es auszuloten gilt. In diesem Fall akzeptiere ich wahrscheinlich, dass die Ruhe jetzt wichtiger ist (es sei denn, es ist ein sehr außergewöhnliches Ereignis, welches sich nicht verschieben lässt, wie z.B. eine Hochzeitsfeier) und sorge für meine Gesundheit. Auch wenn wir in einer Gesellschaft leben, die uns das suggeriert, muss ich nicht an allem teilgeben, ich muss nicht alles erleben. Genügsamkeit ist lebendig. In der Wahrheit, dass ich in meinem Leben sowieso nicht alles Erleben werde, genügt mir das, was da ist. Und gerade hier verbergen sich die schönsten Geschenke. 

8) Konsequenz: Wenn ich mich für eine Position entschieden habe, folge ich ihr konsequent. Damit meine ich nicht, dass ich sie nicht auch stets kritisch hinterfrage. Ganz im Gegenteil nehme ich die Dinge, die dafür relevant sind, achtsam wahr. Wenn ich jedoch eine Entscheidung getroffen habe, ist dies aus einem Grund geschehen, dem ich wertschätzend begegne. Zu dieser Wertschätzung gehört, dass ich diese Position anerkenne und zumindest eine Zeit lang in ihr stehen bleibe. Nur, wenn ich diese Position eine Zeit lang konsequent erlebe, kann ich mir gegenüber wahrheitsgemäße Aussagen tätigen. Das verschafft mir eine Klarheit, die sich dann auch in der Interaktion mit anderen äußert. Wenn ich in mir selbst klar bin, bin ich es auch in der Interaktion mit anderen. Das bringt Orientierung. Aber eben auch die Flexibilität, die Weiterentwicklung braucht.

9) Liebe: Wenn ich mich selbst liebe und überzeugt bin, dass ich liebenswert bin, trage ich dies in die Interaktion mit anderen. Vielmehr entsteht hier eine Wechselwirkung in der Interaktion, Resonanz. Je mehr Liebe ich in meine Interaktion gebe, umso mehr Liebe erhalte ich. Daher richte ich meinen Fokus in der Interaktion auf das Positive und die Liebe. Mein liebevoller wertschätzender Umgang mit meinen Mitmenschen ist das, was ich mir für alle Menschen wünsche. Die Bedürfniszentrierte Kommunikation stellt hier ein Baustein dar.

10) Geborgenheit: Beobachte ich ein Phänomen, dass sich die Menschen viel mehr darüber äußern, was sie alles nicht möchten oder ablehnen, anstatt das zu benennen, was gut für sie ist. Woran liegt das? Vermutlich haben alle Menschen ein Streben nach Sicherheit und Geborgenheit. Meiner Erfahrung nach bringen die positiven Dinge und das Benennen der Dinge, die gut sind und wo es noch gutes hingehen kann, Geborgenheit im Sinne von innerer Sicherheit. Eine Sicherheit im Außen gibt es nicht. Wenn wir benennen, was wir gut finden und dann weiter äußern, was wir uns weiter Gutes vorstellen, bringt das Positives, Lebensbejahendes und Liebe.

11) Güte: Wenn ich mir selbst in der Wahrheit in Güte begegne, bringe ich diese auch meinen Mitmenschen entgegen. Selbst wenn ich eine gute Menschenkenntnis habe, weiß ich nie, in welcher Situation sich mein Gegenüber akut befindet. Was hat sie oder er an diesem Tag schon erlebt? Was bringt er oder sie in der aktuellen Situation mit? Von welchen Dingen kann oder möchte er oder sie nicht sprechen? Das einzige, was ich authentisch tun kann, ist, den Menschen in der Interaktion mit Freundlichkeit, Ehrlichkeit und Offenheit zu begegnen (in Anerkennung der Grenzen). Güte beinhaltet auch eine Zurückhaltung zugunsten der Wertschätzung des anderen. 

12) Humor: wir alle tragen Humor in uns. Wenn ich mir selbst mit Humor begegne, über mich und mit mir selbst lache, wirkt das auch auf die Interaktion mit anderen Menschen. Trage ich eine Freude in mir und über mich, kann das manchmal unangebrachte Dramatik in Themen reduzieren oder Probleme relativieren sich. Gemeinsam lachen tut immer gut. 

Liebe ist niemals gegen, Liebe ist immer mit…

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