Wohl erstmals in der Geschichte gibt es ein Thema, dass bis auf ganz wenige Ausnahmen alle Menschen auf der Welt befasst – die Corona-Pandemie.
Eine gute Gelegenheit, dass wir die Wahrnehmungen und Reaktionen der Menschen näher betrachten und erlernen dürfen.
Corona, eine Viruserkrankung. An sich kein neues Phänomen, denn Viruserkrankungen sind den Menschen spätestens seit dem späten 19. Jahrhundert bekannt. Unterschiedlichster Art, unterschiedlichster Auswirkungen.
Beispielsweise das HIV-Virus. Als es auftauchte, gab es durch die Medien zunächst auch Angst und Schrecken sowie Diskriminierung. Das liegt daran, dass alltäglicher Journalismus Betroffenheit erzeugen soll – das kleine 1×1 der Herdentierunterhaltung.
Also: es gibt es neues Virus, das den Tod bringt – somit ist die Betroffenheit hergestellt. Und dann aber, um es zu relativieren, der Herdentierverantwortungsverschiebungsmechanismus – wie kann ich gut von mir ablenken auf die Betroffenheit hin Distanz schaffen? Da greift dann die Diskriminierung von Personengruppen, die schlechter „dran“ sind, oder verstärkter von vorne herein „schlechter“ sind. Bei HIV waren das die Schwulen.
Nichts desto trotz ging diese Phase vorüber. Mit Zunahme von Forschung, Erkenntnissen und positivem Voranschreiten wurde zum einen deutlich, dass durchaus auch heterosexuelle Menschen AIDS haben können. Damit war zwar mehr Betroffenheit hergestellt, diese wurde dann aber durch gute Anleitung relativiert.
Es wurden konkrete Verhaltensregeln entwickelt, die im Sinne einer Gesundheitsförderung bis heute greifen. Kondome schützen vor AIDS. Du kannst selbst entscheiden, ob du dich auf diese Gefahr einlässt – oder eben nicht. In Gefahrenzonen werden kostenfreie Kondome verteilt. Wer an AIDS erkrankt, ist im Gesundheitssystem willkommen und wird entsprechend behandelt. So haben wir alle gelernt, mit Gelassenheit diese Erkrankung in unseren Alltag zu integrieren – und dabei den Fokus auf die Gesundheit zu behalten – zumindest mal in Europa.
Interessant ist, dass damals HIV ebenfalls als weltweiter Virus in Erscheinung getreten ist, wir allerdings medial soweit nicht verbunden waren.
Inzwischen haben wir die Globalisierung und die Welt ist informationstechnisch sehr klein geworden. Das neue Corona-Virus tritt auf: Angst und Schrecken werden (wieder) verbreitet. Durch die globale Betroffenheit verstärkt sich allerdings dieser Effekt immens. In Deutschland zeigen vor allem Särgetransporte aus Italien immense Wirkung. Wie wurden wohl die ersten AIDS-Toten in Italien begraben? Und mit der Dauer der Pandemie muss wegen des kleinen 1×1 die Betroffenheit am Laufen gehalten werden. Was bleibt? Warnen, Warnen, Warnen.
Auch die Diskriminierung als Verantwortungsverschiebungsmechanismus wird hier wieder gebraucht. Zunächst klappte es noch ganz gut, einzelne Länder als „schlecht“ darzustellen. Inzwischen längst verwirkt, braucht es Personengruppen in den eigenen Herdentierreihen, oder gar konkrete Personen, wo sich die Diskriminierung entlädt. Das eine Hochzeitspaar, wo ein paar Personen mehr da waren – ja, wie können die nur. Oder die schlimmen Jugendlichen, die heimliche Privatparties veranstalten – wie können die nur; wo sie sich doch eh alle in der Schule begegnen…
Doch was geschieht, wenn wir alle ein Thema haben? Die Wahrnehmung fokussiert sich und spaltet sich ebenso immens auf. Ein scheinbarer Widerspruch. Wenn alle ein Thema haben, sind wir tatsächlich ein Stück vergleichbar. Das, worauf die Herde ja so großen Wert legt, um eine Bewertung bzw. ein Hochziehen des Egos vornehmen zu können. Doch was geschieht jenseits dieser Bewertungen? Es wird deutlich, wie unterschiedlich unsere Wahrnehmungen und damit unsere individuellen Realitäten sind.
Fragen wir heute in der Bevölkerung, zumindest in Europa, wie sich das HIV-Virus darstellt, werden wir im Großen und Ganzen Antworten mit relativ weiten Übereinstimmungen finden.
Beim neuen Corona-Virus tut sich hier allerdings eine riesige Spannbreite auf: von der Ansicht, dass es das Virus gar nicht gibt, bis hin zur direkten Todesbedrohung sind alle Wahrheiten vertreten. Wohl kein Thema hat bisher so deutlich die unterschiedlichen Realitäten aufgezeigt. Und durch angst- und geldgetriebene politische Botschaften mit kurzfristigem Reagieren – statt positiv langfristiger Planung – werden die Realitäten, die zunächst in der Wahrnehmung entstehen, dann auch tatsächlich in die Lebensrealitäten integriert. Es gab wohl noch kein Thema, welches die Lebenswelten innerhalb einer Gesellschaft so aufgespalten hat. Und das weltweit. Während die einen es beschwerlich finden, dass der bestellte Handwerker nicht pünktlich kommt, ringen andere mit der Existenz und manche sterben.
Deutlich ist, dass wir derzeit wenig konstruktives Bewusstsein mit Themen haben, die alle angehen. Mit dem sich alle befassen. Das ist das, was die eigentliche Krise ausmacht. Unsere Systeme sind für solche Phänomene nicht passend. Und wahrscheinlich wird dieses Thema nicht das letzte globale Thema sein. Nichts desto trotz geht diese Phase vorüber.
Eine gute weitere Gelegenheit: begreifen wir jetzt die kollektive Vernetzung als positiven Nutzen im Wesentlichen. Wo solche Dynamiken wie aktuell ins Rollen kommen, können positive Wellen ebenfalls die Welt durchdringen. Was wohl geschieht, wenn wir in eben diese Fokussierung Liebe und Wohlwollen geben?
Voraussetzung ist, dass wir nun das, was aktuell geschieht, annehmen – anstatt chaotisch rudernd Kriegspropaganda zu betreiben – vom wem auch immer – und uns wechselseitig die Sichtweisen streitig machen. Nehmen wir an und akzeptieren wir, dass wir alle unterschiedliche Wahrheiten und Realitäten haben. In der Anerkennung dessen ist es uns möglich: wir erleben neue Formen der Gemeinschaft und ebenso wesentlich neue synaptische Verknüpfungen in unseren Gehirnen. Jenseits der Bewertung, die die Machtsysteme wie auch viele Religionen sie sich zu nutzen machen.
Akzeptieren wir diese Unterschiede und machen es möglich: uns selbst und uns alle in Bereicherung erleben. In Liebe…