Herdenspaziergang

Und dann ist Charis da, sie hat mich gewählt. Als Begleitung des Herdenspaziergangs. Die Herde sind jetzt zehn Menschen, zehn Pferde und drei Begleitpersonen. Charis und ich werden an die zweite Stelle eingeteilt, mit einem lockeren Seil sind wir verbunden – und ebenso energetisch locker verbunden. Sie sagt: ich möchte dir etwas über das Geschehen in der Herde zeigen. Magst du es erfahren? Ich willige lächelnd ein. Und alle gehen los.

Doch irgendwie ist zwischen Charis und mir beim Spazieren zwar eine Verbindung da, sie fühlt sich allerdings unrund an, ungleichmäßig. Mir kommen Zweifel, die Synchronität bleibt aus. Und Charis geht fast widerwillig. Ich habe kein Interesse, an dem Seil zu ziehen. Fühle, dass es sowieso nicht bringen würde. Was also passt nicht?
Ich rufe eine Begleitperson und sage, dass wir hier irgendwie nicht passend unterwegs sind. Da lacht sie und sagt, dass Charis an einen anderen Platz möchte. Wir sollen nach vorne gehen, vor den Hengst, der bisher die Herde anleitet.

Und mit einmal ist ganz leicht die Synchronität da. Charis, die Göttin der Anmut und ich schwingen gemeinsam. Sie lacht: willkommen, Schwester. Hier gehören wir hin. Kraftvoll und mild in Lebendigkeit. Ich zeige dir jetzt, wie wir als Schwestern gemeinsam den Raum weiblich öffnen und die gesamte Herde tragen. In Liebe, in Sicherheit, in Anmut, in Ebenmäßigkeit. 

Und ja, ich fühle eine neue Form der Empathie. Ich empfinde alle Teile „unserer“ Herde, fühle die Dynamiken aller Tiere und Menschen – es ist eins, ein dynamisches Gefüge. Und dieses halten Charis und ich in Leichtigkeit in der weiblichen Führung. Im Dienen der Herde. Ich spüre mich und Charis als Anleitung der Herde für das Wohl aller. Und ich fühle auch eine Art Ausgleichen, eine Herdenbalance. Wenn es irgendwo im Gefüge unruhiger wird, ist es an anderer Stelle ruhiger. Die Gesamtdynamik bleibt in unserem Halten bestehen. Das also ist Führung. Weibliche Führung. Dafür öffnen wir unsere Räume.

Charis lässt mich nun „ihren“ Wald durch ihr Empfinden erleben. Ihre Wachsamkeit, ihre Achtsamkeit sind ebenso die meine. Und durch die Gemeinsamkeit spüre ich mein Selbst, mein Sein, deutlich. Es steht in keinem Widerspruch mit der Herde. Vielmehr spiegelt die gesamte Herde mich und ich sie. Und das in aller Natürlichkeit. Das Seil zwischen uns ist bedeutungslos geworden, unsere energetische Verbindung ist in stabilem Floss, im Flow. Es braucht kein Denken. Eine Herde anleiten geschieht im Fließen, in Empathie. So schwimmen wohl auch die Fische im Schwarm oder die Vögel in der Schar.

Und ich begreife, dass Anleiten und Führen in Hingabe ein natürliches Geschehen ist, außerhalb jeden Drucks oder Kontrolle. Es ist ein Führen im Loslassen.

Ich bedanke mich bei Charis, sie sich bei mir; wir sind beide voller Freude.

Inzwischen ist es für mich leichter anzunehmen, dass ich Tiere „verstehe“. Diese Art der Kommunikation fühlt sich leichter an als zwischenmenschliche Worte. Leichter, und gleichzeitig tiefer. Umfassender und ebenso dynamischer. Und es ruft nach mehr…

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