T wie TetraPak-Mädchen

Bestimmt war früher nicht alles besser, aber manches anders. Der besondere Charme der Besuche von Veranstaltungen mit elektronischer Tanzmusik bestand unter anderem darin, dass die Leidenschaft zur Musik eine vordergründige Rolle spielte. Licht aus, Musik an.
Jede oder jeder, der Lust hatte, tanzte da, wo er oder sie auch immer wollte. Die Tanzfläche war Nebensache und wer nicht tanzen wollte, hat das auch getan und gut so.
Dann passiert es mir neulich, dass ich auf der Tanzfläche von einem TetraPak-Mädchen (ich hätte fast „Konserven-Tussi“ geschrieben) angesprochen werde, die mich bittet, doch etwas „vorsichtiger“ zu tanzen, weil ihre TeraPak-Freundin daneben auf der gleichen Tanzfläche einen Cocktail trinken möchte. Und dieser sollte nicht in Gefahr geraten zu verschütten. Die Bitte war tatsächlich ernst gemeint und auf meinen Hinweis, dass die beiden TetraPak-Mädchen mit gleicher Frisur, gleichem Aussehen und gleicher Handtasche in der Armbeuge doch auch an den Rand der Tanzfläche gehen könnten, nickten die beiden freundlich und auch gut so.
Die Steigerung dessen ereignete sich kürzlich, als sich eine Gruppe von etwa acht TetraPak-Mädchen in beschriebenem Aussehen kreisförmig angeordnet vor dem DJ-Pult platzierten. So, als hätten sie Platzkarten für ihre Stehplätze. Alle hatten ihr Smartphone in der Hand und waren fleißig beschäftigt, selfies von sich mit DJ-Pult im Hintergrund zu erstellen. Das hatte logischerweise zur Folge, dass mit wechselnden Positionen in diesem Kreis die meisten mit dem Rücken zum DJ standen. Das ist für den DJ auch nicht gerade ein Akt der Wertschätzung. Sie alle zusammen schafften es, lauter als die zu dem Zeitpunkt noch etwas gemäßigten Bassboxen zu schwatzen. Die Laune insgesamt mies – kein Lachen, kein nichts, nur Achtsamkeit auf die Frisur und die Handtasche und das Getränk in der Hand. Die Musik wurde besser und lauter und beim Tanzen passiert es dann schon mal, dass man andere berührt. Das wurde in diesem Fall gar nicht gerne gesehen, weil dann ja die Fotos verwackeln könnten. Und dies wurde auch dementsprechend kommentiert. Mein Hinweis, dass sich die TetraPak-Mädchen auf einer Tanzfläche befänden und diese dem Namen nach wohl zum Tanzen gemacht sei, verschlechterte die Laune ihrerseits noch mehr.
Es war jetzt kein großes Problem, sich einen anderen Platz zu suchen, aber mir stellt sich die Frage, mit welcher Intension diese nächste Generation von TetraPak-Mädchen abends ausgeht. Sie verbringen vermutlich Stunden im Bad, um dann so auszusehen wie die anderen TetraPak-Mädchen. Sie halten sich mit schlechter Laune an ihren Getränken und Smartphones fest. Und das alles, während direkt um sie herum großartige Musik spielt, die es einem eigentlich kaum möglich macht, still zu stehen. Die TetraPak-Mädchen sehen nach Stunden noch genauso aus wie zu Beginn der Veranstaltung. Es muss sicher nicht alles im Exzess enden und über die Form eines gelungen Abends lasst sich gerne diskutieren. Aber was ich außerordentlich schade finde, dass hier Leidenschaft für die Musik verloren geht. Und das auch auf Kosten der anderen.

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